Wahlmanagement ist eine strategische Chance für Unternehmen
Immer mehr Unternehmerfamilien übergeben die Führung ganz oder teilweise an Wahlmanager, um ihre Firma generationsübergreifend weiter im Eigentum der Familie zu behalten. Die Hintergründe für Wahlmanagement liegen oft auch in der Familie selbst. Es ist es insbesondere bei großen Unternehmen kaum möglich, ausschließlich oder überhaupt kompetente Führungskräfte für die oberste Etage innerhalb der Gründerfamilie zu finden: Entweder hat sie keine eigenen Kinder oder diese haben andere Karriere- und Lebensvorstellungen und wollen die Unternehmensleitung nicht übernehmen. Oder sie erscheinen für diese Aufgabe nicht geeignet oder noch nicht ausreichend erfahren.
Der Vorteil von Wahlmanagements ist im Wesentlichen die Möglichkeit einer zweigleisigen Strategie: das Familienunternehmen durch Wahlmanager fortführen zu lassen und es zugleich im Eigentum der Familie zu behalten. Vielleicht möchte in kommenden Generationen doch ein Nachfolger aus der Familie die Aufgabe übernehmen. So verbindet sich Kontinuität in der Führung mit der optimalen Einbindung der Familie und deren langfristigen Orientierung.
Wahlmanager bringen neben Führungsstärke insbesondere auch komplementäre Expertisen und neue Perspektiven in die Geschäftsführung ein. Die Unternehmerfamilie muss Rahmenbedingungen schaffen, sodass ein Wahlmanager überhaupt erfolgreich wirken kann. Dies beginnt damit, dass die Ziele und unterschiedlichen Interessen der Familienmitglieder untereinander abgeglichen werden. Dem schließt sich eine Abstimmung über die Rechte und Pflichten des neuen Managers an. Auch organisatorische Änderungen können im Vorfeld erforderlich sein.
Zur Gewinnung eines Top-Managers von außen nutzen erfolgreiche Familienunternehmen ihre Wettbewerbsvorteile in der externen Kommunikation: Langfristigkeit, Unternehmertum, schnelle Entscheidungen aufgrund flacher Hierarchien, starke Vertrauensbasis und persönliche Beziehungen. Und sie kombinieren dies mit der Einführung beziehungsweise dem Ausbau von langfristig variabler Vergütung und Beteiligungen sowie einer stärkeren Einbindung des Beirats oder Aufsichtsrats als begleitendes Organ.
Muss anstelle eines familieninternen Generationswechsels ein Wahlmanager gesucht werden, bieten sich abhängig von den strategischen Zielen unterschiedliche Varianten an. Suchen Sie einen klassischen Nachfolger? Könnte ein Wahlmanager die Chance erhalten, das Unternehmen nicht nur als Angestellter, sondern auch als (temporär) teilbeteiligter Geschäftsführer mitzugestalten? Soll der angestellte Geschäftsführer das operative Geschäft unter der Kontrolle einer Familienstiftung als generationsübergreifende Eigentümerin des Familienunternehmen leiten? Oder ist sogar ein unternehmensinterner Verkauf von Geschäftsanteilen an das Top-Management in Form eines Management-Buy-outs denkbar? Steht das Unternehmen unter der Kontrolle der Familie, oder wird es in Zukunft in einer Familienstiftung weitergeführt? Unabhängig davon, für welche Variante Sie sich entscheiden, der Wahlmanager ist eine zentrale Größe, die es genau zu verstehen gilt.
Familienunternehmen sind eine Chance für Spitzenkräfte
„Es macht riesig Spaß, mit einer professionellen Familie und dem Beirat zusammenzuarbeiten.“ „Vertrauen und Rückendeckung sind großartig.“ Oder: „Die persönliche Begrüßung bei Antritt und nun auch die wertschätzende Verabschiedung im Unternehmen wird mir immer im Gedächtnis bleiben.“ All dies sind Stimmen von Wahlmanagern zu ihren schönsten Erlebnissen in Familienunternehmen. Sie bestätigen: Familienunternehmen sind sehr attraktiv für Spitzenkräfte. 98 Prozent der 2020 in der Interconsilium-Studie Befragten stufen die Attraktivität von Familienunternehmen als (sehr) hoch (72 Prozent) oder mittel (26 Prozent) ein.[1] Ein hervorragendes Ergebnis für Familienunternehmen, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft darstellen. Die erfolgreiche Rekrutierung und Bindung von Spitzenkräften ist eine zwingende Voraussetzung für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und das weitere Wachstum von Familienunternehmen.
Für Familienunternehmen ist essenziell zu wissen, auf was Top-Leistungsträger bei ihrer Wahl des zukünftigen Arbeitgebers besonderen Wert legen. Nur so können sie die hoch qualifizierten und erfolgreichen Bewerber ansprechen. Dabei stellen sich Kandidaten Kernfragen wie: „Welche Erwartungshaltungen hat die Unternehmerfamilie? Ist sich die Familie einig?“ Unternehmer stehen vor der schwierigen Aufgabe, diese Fragen schon im Vorhinein zu antizipieren, um eine erfolgreiche Rekrutierungsstrategie entwickeln zu können. Denn Spitzenführungskräfte von Familienunternehmen wissen genau, warum sie dort sind, wo sie sind und kennen auch mögliche Fallstricke Die in der Interconsilium-Studie befragten Manager waren seit durchschnittlich 7 Jahren im aktuellen Familienunternehmen tätig und blicken auf insgesamt 13 Jahre Erfahrung in familienkontrollierten oder -geführten Unternehmen zurück. Sie können diese auch deshalb besonders gut einschätzen, da knapp 90 Prozent auch Erfahrungen in nicht familiengeführten Firmen gesammelt haben – sie kennen also auch das Gegenmodell.
Der Vorteil liegt in ihrer Langfristigkeit und in der Beziehung zur Familie. Dass die Eigentümer langfristig denken und handeln, ist ein seitens der angestellten Manager besonders herausgestellter Vorteil. Ein befragter Manager fasste es so zusammen: „Langfristigkeit, Festhalten an Strategien sowie Nachhaltigkeit und kein Hire-and-Fire.“ Familienunternehmer setzen auf verantwortungsvolles Handeln. Was sich Konzerne als Corporate Social Responsibility erarbeiten, ist bei Familienunternehmen Teil ihrer DNA. Sie sind konservativ im guten betriebswirtschaftlichen Sinn und halten ihre Werte hoch.
Verantwortungsvolles Handeln ist keine Reaktion auf Erwartungen von außen, sondern basiert es auf der individuellen Überzeugung der Familienunternehmer. Dieses Grundprinzip der Nachhaltigkeit fasste ein Klient so zusammen: „Auf Kosten der nachfolgenden Eigentümergeneration zu agieren, verbietet sich als Familienunternehmern ganz einfach von selbst. Als Unternehmerfamilie denken wir in Generationen, und nicht in Quartalen.“ Für den eigenen Erfolg verantwortlich zu sein, verpflichtet zu Maßhalten und Vorsicht. Das verhindert zwar schnelle Gewinne und allzu rasantes Wachstum, aber es sorgt für Beständigkeit. Das Wachstum baut auf Substanz baut und schafft reale Unternehmenswerte, auf die die Nachkommen weiter aufbauen können.” Da Familienunternehmen auf Generationen hin ausgerichtet sind, stehen kurzfristige Entscheidungen, die sich auf die Maximierung des Aktienkurses oder des Cashflows ausrichten, beim Eigentümer nicht im Vordergrund.
Die Vertrauensbeziehung zu den Inhabern und die damit verbundene enge Zusammenarbeit sind der wichtigste Faktor für die eigene Zufriedenheit. An der Beziehung zur Familie kristallisieren sich die Vorteile dieser Unternehmen. Die schnelle Verantwortungsübernahme ist ein wichtiger Vorteil – dies gaben über 75 Prozent der Teilnehmer der Interconsilium-Studie an. Ein Manager brachte es auf den Punkt: „Das Vertrauen zur Inhaberfamilie bietet große Handlungsspielräume und einzigartige Karrierechancen.“ Erfolgreiche Manager schätzen das persönliche Verhältnis zur Unternehmerfamilie. Dies illustrieren einige Zitate: „Ich konnte wirklich unternehmerisch agieren.“ „Vertrauen und Rückendeckung sind großartig.“ „Ich spüre echte Wertschätzung und Dankbarkeit.“ Ein Karrierist, der sich über Visitenkarte, Titel und Gehalt definiert, wird hier nicht reüssieren.
Unabdingbar ist das Verständnis der Besonderheiten von Familienunternehmen und ihren Unternehmerfamilien: Ihre generationsübergreifende Orientierung prägt und bestimmt die Geschäftspolitik auch dann, wenn Familie, Eigentum und Geschäftsführung in größeren und älteren Firmen nicht mehr zusammenfallen. Ihren Einfluss übt sie als Eigentümer dann durch die Bestimmung der Geschäftsleitung über ihren Vorsitz in Aufsichts- oder Beiratsgremien aus, die auch die strategische Ausrichtung definieren. Erfolgreiche Wahlmanager sind daher „Treuhänder“ der Eigentümerfamilie und kennen ihre Möglichkeiten und auch Grenzen sehr genau. Realismus gepaart mit einer hohen sozialen Kompetenz zeichnet sie besonders aus.
Eine weitere Besonderheit von vielen Familienunternehmen ist ihre regionale Verwurzelung. Diese bleibt auch dann bestehen, wenn die Firma bei einer Ausdehnung des Geschäfts auf internationale Märkte global agiert. Der damit verbundene positive Einfluss auf die Entwicklung der Region wirkt sich auf das Unternehmen aus.
Entscheidend ist, dass die gemeinsamen Werte zwischen Eignern, dem Management und den Mitarbeitern stimmen. Die Philosophie und Überzeugungen des Gründers können solche Betriebe oft für Generationen prägen. Das kann Vorteil und Bürde zugleich sein. Die gemeinsame Identität birgt jedoch gute Chancen, Familienunternehmen auch in Zeiten umfassender Veränderungen erfolgreich zu führen. Und dann ist es auch ein Beitrag zur Attraktivität der Firma.
Risken – die andere Seite der gleichen Medaille
„Indem er [der Manager] die unternehmerischen Ziele kurzfristig ausgerichtet hat und die Rendite nach oben trieb, maximierte er sein Vermögen zulasten einer nachhaltigen Entwicklung unseres Unternehmens. Er hat unseren Blick über Generationen hinweg schlichtweg ignoriert.“ Aus Unternehmersicht ist ein nicht unternehmerisch verantwortungsvoll agierender Manager ein bedeutender Risikofaktor für den Fortbestand der Firma. Angestellte Manager haben in der Regel kein Haftungsrisiko zu tragen, und ihre Verantwortlichkeit für das Unternehmen ist immer begrenzt – dies kann dazu führen, dass sie risikobereiter und unvorsichtiger handeln als die Eigentümer selbst.
Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit müssen daher die Ziele und Wertevorstellungen des Managers mit denen der Eigentümer übereinstimmen. Toleranz und Einfühlsamkeit gegenüber Familienmitgliedern und Mitarbeitern zu beweisen, ist eine enorm wichtige Anforderung. Übergeht der Wahlmanager bei wichtigen unternehmerischen Entscheidungen die Familie und deren Einstellungen und Werteprägungen, verhält er sich aus deren Sicht unsensibel. Dass sich aus der engen Verzahnung von Familie, Unternehmen und Eigentum aus der Managerperspektive auch als paradox empfundene Handlungen ergeben, muss ein angestellter Geschäftsführer auszuhalten. Kann er dies nicht, kommt es zum Bruch.
Darüber hinaus wird ein familienfremder Manager, der dieselben Rechte wie der Familieninterne fordert oder sogar aufgrund seiner Leistung eine höhere Reputation verlangt, von der Eigentümerfamilie als Risikofaktor betrachtet. Sich in die zweite Reihe stellen zu können und dem Unternehmer den Vortritt zu lassen, ist vielfach überlebenswichtig. Ein Unternehmer fasst es in einem Gespräch mit uns einmal so zusammen: „Es ist nicht erwünscht, dass sich jemand in den Vordergrund rückt.“ Top-Manager, die den eigenen Auftritt lieben, stoßen daher oft auf Ablehnung. Daher kommen auch namhafte erfolgreiche Manager aus Großunternehmen oft nicht mit mittelständischen Strukturen zurecht. Im Mittelstand sind zupackende Macher mit ausgeprägten Sozialkompetenzen und nicht politisch agierende Personen gefragt.
Mit zunehmendem Alter des Unternehmens erhöht sich oft die Zahl der Familienmitglieder im Gesellschafterkreis, was zu einer steigenden Komplexität und einem erhöhten Konfliktpotential führt. Vor diesem Hintergrund können Familienunternehmen auch dann scheitern, wenn sie wirtschaftlich erfolgreich sind und das Management hervorragend aufgestellt ist. Die enge und spezielle Verbundenheit der Eigentümer mit ihrer Firma ist ein wesentlicher Vorteil und zugleich ein Nachteil, der eine Regelung der Nachfolge erschweren und zum Scheitern bringen kann. Laut einer empirischen Analyse der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sind Unternehmer im Alter von über 60 weniger innovativ und scheuen Investitionen[2] – was die Wettbewerbsfähigkeit gefährden kann.
Es gibt weitere Faktoren auf der Imageebene, bei denen Nachholbedarf besteht: Sie werden nicht als international wahrgenommen, obwohl dies oft gar nicht stimmt. Die großen Familienunternehmen erwirtschaften sogar mehr als die Hälfte ihres Umsatzes im Ausland und verfügen weltweit über Produktions- und Vertriebsstandorte. Hinzu kommt, dass die Standorte, die häufig fernab der Metropolen zu finden sind, als Nachteil bewertet werden.
Familienunternehmen sind außerdem häufig komplex und konfliktanfällig, weil sich Privates mit Geschäftlichem mischt. So entscheiden auch interne Bedürfnisse über die Beschäftigung von Familienmitgliedern wie über deren Ausscheiden. Strategische Entscheidungen werden von den Familienmitgliedern ebenso bestimmt wie strukturelle Faktoren und wesentliche Führungspositionen. Daher werden teilweise besondere strukturelle Voraussetzungen geschaffen, um familiär gewünschte Entscheidungen und die Unternehmensziele auszubalancieren. Organisationsstrukturen erklären sich in Familienunternehmen nicht immer nur aus rein betriebswirtschaftlichem Nutzen heraus. Dass der Einfluss der Familie auf das Unternehmen stark (60 Prozent) oder zumindest mittel (33 Prozent) ausgeprägt ist, wird von den angestellten Managern als sehr gut (70 Prozent) und nur zu 11 Prozent als negativ wahrgenommen.
Der häufig starke Zuschnitt der Organisation auf einzelne Gesellschafter und ein geringeres Ansehen des Fremdmanagements im Vergleich zur Familie bewerten Wahlmanager als negativ. Eklatante Karriererisiken ergeben sich für sie immer dann, wenn Nachfolgeregelungen fehlen, Streitigkeiten in der Familie auftreten oder ein Führungsvakuum durch den Abtritt einer starken Unternehmerpersönlichkeit entsteht (70 bis 80 Prozent der Teilnehmer). Immerhin 50 Prozent der Wahlmanager sehen das geringere Unternehmertum der folgenden Generation als Risiko. Dass Familienmitglieder die Karrierechancen von familienexternen Managern verhindern, gibt rund ein Drittel von ihnen als potenzielles Risiko an. Der Verkauf des Unternehmens durch die Nachfolgegeneration oder dass die Eigentümer das Vermögen aus der Firma zieht und so Wachstum und Innovation verhindert, geben nur 14 Prozent der externen Führungskräfte als Risiko an.